Zum Wertermittlungsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten bei Veräußerung des Nachlassgegenstands (BGH Urteil)

 

So hat der BGH am 29.09.2021 entschieden:
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung im wesentlichen

nicht Stand: der pflichtteilsberechtigten Klägerin steht ein Anspruch auf Wertermittlung an dem streitgegenständlichen Grundstück zu. Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Der Anspruch dient nicht dazu, für den Pflichtteilsberechtigten und den Erben verbindlich den Wert des Nachlassgegenstandes festzulegen, sondern soll den Pflichtteilsberechtigten die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtern. Der Pflichtteilsberechtigten hat jedenfalls dann ein schutzwürdiges Interesse an einer derartigen Wertermittlung, wenn die vom Erben vorgelegten Unterlagen und Auskünfte nicht ausreichen, sich ein Bild über den Wert des Nachlassgegenstandes zu machen. Ob eventuell ein derartiger nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift einschränkungsloser Anspruch in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben oder wegen Verstoßes gegen das Schikaneverbot ausscheidet, wenn bereits mehrere Sachverständigengutachten zu dem Wert des Nachlassgegenstandes eingeholt wurden und zu demselben Ergebnis kamen, kann offenbleiben; ein derartiger Fall liegt jedenfalls nicht vor, da die eingeholten Sachverständigengutachten in ihren Werten erheblich differieren.
Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Nachlassgegenstand nach dem Erbfall veräußert wurde. Dies rechtfertigt sich daraus, dass dem Pflichtteilsberechtigten andernfalls der Nachweis verwehrt bzw. zumindest erschwert würde, dass der Veräußerungserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entspricht.
Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des BGH-Senats zur Wertbemessung bei der Berechnung des Pflichtteils entgegen. Hierbei ist der Pflichtteilsberechtigte wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. Abzustellen ist auf den sogenannten gemeinen Wert, der dem Verkaufswert im Zeitpunkt des Erbfalls entspricht. Da derartige Schätzungen mit Unsicherheiten verbunden sind, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BGH-Senats, dass sich die Bewertung von Nachlassgegenständen, die bald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren muss. Diese Rechtsprechung bezieht sich indessen nicht auf den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft und Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 BGB, sondern auf die konkrete Berechnung des Pflichtteilsanspruchs.
Im übrigen ist in der Senatsrechtsprechung auch im Rahmen konkreten Berechnung des Pflichtteilsanspruchs anerkannt, dass eine Bindung an den tatsächlich erzielten Verkaufspreis dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn der darlegungs- und beweispflichtige Pflichtteilsberechtigte Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, nach welchen der Verkaufserlös nicht dem tatsächlichen Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbfalls entspricht. Derartige Umstände hat die pflichtteilberechtigte Klägerin vorliegend im Hinblick auf die vorgelegten Sachverständigengutachten, die erheblich vom Veräußerungserlös abweichen, vorgetragen.

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Jost Appel

Dipl. Wirtschaftsjurist FH
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