Kontaktabbruch des Kindes wegen jahrelangen Ehebruchs des letztverstorbenen Ehegatten rechtfertigt keine Neutestierung wegen „familiärer Zuwiderhandlungen“ des Kindes
Enthält ein gemeinschaftliches Testament die Regelung, wonach das Testament durch den überlebenden Ehegatten wegen „familiärer Zuwiderhandlungen“ des als Schlusserben eingesetzten Kindes geändert werden kann, so greift diese Regelung nicht, wenn das Kind wegen des jahrelangen Ehebruchs des überlebenden Ehegattens den Kontakt zu ihm abbricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Kind intellektuell minderbegabt ist. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg (Beschluss vom 09.10.2020- 3 W 43/20 – ) entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1999 hatte ein Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament errichtet, wonach sie sich selbst als Erben und ihren Sohn als Schlusserben eingesetzt haben. Zudem enthielt das Testament die Regelung, dass es bei einer „familiären Zuwiderhandlung“ des Sohnes abgeändert werden kann. Die Schlusserbeneinsetzung diente der Fürsorge des intellektuell minderbegabten Sohnes. Ab dem Jahr 2004 unterhielt der Ehemann mit der Schwester seiner Ehefrau ein außereheliches Verhältnis einschließlich gemeinsamer Urlaubsreisen. Darunter hatte die Ehefrau sehr gelitten. Der Sohn des Paares stand dabei auf Seiten der Mutter. Im Mai 2013 verstarb schließlich die Ehefrau. Im Januar 2014 errichtete der überlebende Ehemann ein Testament, wonach sein Sohn und seine Geliebte je zur Hälfte seine Erben sein sollten. Er begründete dies mit dem Kontaktabbruch seines Sohnes. Nachdem auch der Ehemann verstorben war beantragte seine Geliebte, die Schwester der vorverstorbenen Ehefrau, einen Erbschein, der sowohl sie als auch den Sohn des verstorbenen Paares als Erben ausweisen sollte. Der Sohn wiederum beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte.
Das Amtsgericht Bamberg wies den Antrag des Sohnes zurück. Er sei nicht Alleinerbe geworden. Die Formulierung „familiäre Zuwiderhandlung“ im gemeinschaftlichen Testament von 1999 sei so zu verstehen, dass bei einem ernsthaften Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt das Testament geändert werden dürfe. Von einem solchen Verstoß sei aufgrund des Kontaktabbruchs des Sohns zu seinem Vater auszugehen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Sohns.
Das Oberlandesgericht Bamberg entschied zu Gunsten des Sohns. Die Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments von 1999 durch das Testament von 2014 sei unwirksam. Das Amtsgericht habe sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, welche übereinstimmenden Vorstellungen beide Ehegatten mit der Formulierung „familiäre Zuwiderhandlung“ verbunden haben. Zudem müsse das nach dem Willen des einen Ehegatten mögliche Auslegungserlebnis mit der Einstellung des anderen Ehegatten abgeglichen werden.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sei auszuschließen, dass auch nur einer der beiden Ehegatten ernsthaft davon ausgegangen sein könnte, der andere Teil könne eine Befugnis zum Widerruf wegen eines familiären Störverhaltens des Sohns selbst für den Fall angestrebt haben, dass ein jahrelanger Ehebruch des Überlebenden zu einem tiefgreifenden Konflikt mit anschließender Kontaktverweigerung zwischen ihm und seinem Sohn führt. Erst recht sei auszuschließen, dass der Erblasser bei seiner Ehefrau das Verständnis vorausgesetzt haben könnte, dass der floskelhaft formulierte Änderungsvorbehalt in einem derartigen Konfliktfall dem überlebenden Ehestörer auch noch die Handhabe eröffnen sollte, nunmehr zu Gunsten des an einem zukünftigen Ehebruchs des Letztversterbenden beteiligten Partners zu testieren.
Zudem habe das Amtsgericht nicht berücksichtigt, so das Oberlandesgericht, dass der dem Sohn angelastete Kontaktabbruch darauf zurückzuführen ist, dass der Erblasser eine außereheliche Beziehung mit der Schwester seiner Ehefrau eingegangen war und dadurch auch das Verhältnis zwischen ihm und seinem Sohn eine tiefgreifende Störung erfahren hatte. Der Erblasser habe nicht nur die Grundlagen seiner Ehe, sondern auch des familiären Zusammenhalts untergraben und damit die Gefahr eines Zerwürfnisses hervorgerufen. Es wäre somit Sache des Erblassers gewesen, den ersten Schritt zur Aussöhnung mit dem durch den jahrelangen Ehebruch tief verletzten Sohn zu gehen.
Ohnehin bezweifelte das Oberlandesgericht, dass allein der Vorwurf einer vom Erblasser vermissten, aber gleichwohl unterbliebenen Kontaktaufnahme auch im Hinblick auf die intellektuelle Minderbegabung des Sohns ein ernsthafter Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt darstellt.
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